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Tagebuchblatt

vom 29. September 2007

An Bord des Airbus Iran Air Flug Nummer 720

Jetzt liegt Teheran schon eine gute Flugstunde hinter mir. Unten das Schwarze Meer auf der Höhe von Trabzon. Alle Perserinnen, ob Teenies, Mütter oder Omis haben nacheinander ihre Kopftücher abgenommen und im Handgepäck verstaut.

Ich versuche Bilanz meines Aufenthalts in Teheran zu ziehen. Ich habe eine lebendige Stadt mit vielen Hochhaus – Neubauten und einem unglaublich starken Straßenverkehr erlebt. Die fröhlich-freundlichen, aber auch in gewisser Weise stolzen Menschen haben mir sehr imponiert. Ich erschaure bei dem Gedanken, dass im Pentagon schon die Pläne für die Bombardierung Teherans bereitliegen. In Gesprächen stellte ich immer wieder fest, dass keiner meiner Gesprächspartner glaubt, das amerikanische Bombardement am 21. März 2003 auf Bagdad mit 39.000 Toten könnte auch die Zukunft für Teheran sein. Die Menschen sind dermaßen arglos. Einige halten sogar Amerika als den Freund ihres Landes, obwohl doch seit der CIA-Aktion von 1953 gegen den Premierminister Mossadeq Washington hinter dem Iran her ist, wie es im 19. Jahrhundert hinter dem Indianerland her war. Andere meinen, die iranischen Streitkräfte seien so stark, gut ausgerüstet, gut geführt und durch den Krieg von 1980 bis 1988 so kriegserprobt, dass Washington auf einen Angriff verzichten werde.

Pointe in diesem Zusammenhang:  In dem Tagebuchblatt vom 27. September berichtete ich über einen Geschäftsmann aus Bombay, der mir beim Hotelfrühstück stolz erzählte, trotz US-Druckes habe Indien das Pipeline-Projekt über Pakistan unterzeichnet. Mein Sitznachbar im Airbus teilt mir die neueste Nachricht mit. Indien habe weitere Verhandlungen über das Projekt auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Noch bei Ankunft auf dem Frankfurter Airport gingen mir die Sorgen um die Zukunft der sympathischen Iraner durch den Kopf, die ich in den sieben Tagen meines Aufenthaltes in Teheran schätzen lernte.

 

Tagebuchblatt

vom 28.09.2007

Teheran Grand Hotel

Im Navid-Restaurant. Es soll das eleganteste von Teheran, wenn nicht von ganz Persien sein. Eingeladen bin ich vom Chef der Großfamilie, Herrn Farsaneh. Er ist der Schwager meiner Stadtführerin. Nach zehn Minuten Warten werden uns Plätze zugewiesen. Wir sitzen zu neunt bei Kebab an einem modernen Glastisch. Neben uns ein frisch vermähltes Paar. Auch das unvermeidliche Kopftuch in Weiß, wie das modische Jackenkleid mit Glitzer-Applikation. Ich konfrontiere Herrn Farsaneh mit dem kürzlich verhängten amerikanisch-europäischen Boykott von Technologielieferungen. Herr Farsaneh, der in New York vor 40 Jahren Regeltechnologie studierte und technischer Leiter von Unternehmen der Petrochemie und der Elektrizitätswirtschaft war, meint, der Boykott wäre zahnlos.

Technische Instrumente würden direkt von iranischen Firmen in Amerika oder Deutschland bestellt. Die Lieferung würde dann pro forma an eine Firma in Saudi-Arabien verkauft, dieses verkaufe nach Dubai oder die UE, die schließlich in den Iran lieferten. Das Kreuz dabei sei nur, dass diese Güter dann halt drei- bis viermal teurer kämen als ohne Boykott.

Vor mir liegt ein Artikel einer deutschen Wirtschaftszeitung vom 19. September 2007, Seite 13. Da wird beklagt, dass das Handelsvolumen mit dem Iran, das 2006 immerhin 4 Milliarden Euro jährlich betrug, nun drastisch fallen würde. Die Redaktion hat vielleicht nicht gehört, dass dafür das Handelsvolumen mit Saudi-Arabien steigt. Herr Farsaneh jedenfalls gibt sich gelassen. Schließlich leitet er in Teheran gegenwärtig noch erfolgreich die Repräsentanz, die kanadische Regeltechnik importiert. Er sagt es gäbe zur Zeit auch die Praxis, dass bei Erneuerung ganzer petrochemischen Anlagen nach 30 Jahren alten Bauplänen im Westen (mit Umweg über Drittländer) komplette technische Einrichtungen nachbestellt und auch geliefert werden.

Am Frühstückstisch frage ich Mister Vashu Ramsighani,  einen Manager der dortigen großen Glasflaschenherstellerfirma Cylinders PVT. Ltd aus Bombay, was er davon hält. Er bestätigt „Ja, so laufe so das Umgehen des US-Boykotts“. Er verweist auf die vergeblichen Bemühungen der USA den Vertrag über die Gaspipeline, die von Persien über Pakistan in sein Heimatland führen wird, zu verhindern. Sie werde gebaut, versichert er. Ich halte dagegen, dass die USA jetzt schon im Iran an der Grenze zu Pakistan angeheuerte Sabotagetrupps  stehen haben, die die Pipeline an dieser Stelle, sei es aus der Luft, sei es vom Boden aus, zerstören werden. Er meint die USA können sich das nicht leisten, Indien sei für die USA ein zu wichtiger Handelspartner. Da kennt Mr. Vashu Ramsighani vielleicht die Amerikaner noch nicht richtig. Natürlich sollten wir hoffen, dass er Recht behält.        

 

Tagebuchblatt

vom 27.September 2007

Teheran Grand Hotel

Endlich kann ich telefonieren. Über das Hotel für 3 Euro die Minute wollte ich wirklich nicht. Aber jetzt kaufe ich Telefonkarten, die ich sogar vom Hotel-Apparat benutzen darf. Da kosten 10 Minuten nach Deutschland nur 2 Euro.

Jeden Tag kann man bei wolkenlosem Himmel 30° erwarten. Man geht daher erst ab 20 Uhr aus. Zum Beispiel gestern: Nachmittags spielte ich lieber Back Gammon mit dem Schwager meiner Stadtführerin. Erst ab 20.30 Uhr  besuchten wir zu fünft einen Park. Er liegt im Norden, in 1700 m Höhe und ist 120.000  Quadratmeter groß. Springbrunnen und Wasserspiele den ganzen Hügel hinauf. 1960 hat ein begüterter Mann dieses Terrain dem Staat geschenkt.

Im Hotel liegt die Tehran Times aus. Die Rede des Iranischen Präsidenten ist dort abgedruckt. Hier liest man über die Rede, was man in Deutschland nicht lesen kann. Er rechnet den USA ihre Schandtaten vor. Sprach vom Komplott der CIA 1953 gegen Dr. Mosaddeq, den 1980 dem Iran aufgezwungenen Golfkrieg durch den Irak  von Saddam Hussein.  Außerdem verurteilte er die Besiedlung der Westbank durch die, wie er sagte, mit falscher Propaganda und haltlosen Versprechungen aus aller Welt zur illegalen Besiedlung herbeigelockten Juden, die dann zu Untaten gegen die ursprüngliche Bevölkerung aufgestachelt werden und ein sehr tristes Leben von isolierten Siedlern führen müssen und nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren dürften. Liest man diese Vorhaltungen wird klar warum die westliche Öffentlichkeit ihn so hasst und verurteilt.

 

 

Tagebuchblatt

vom 26. September 2007

Teheran Grand Hotel

Am Abend fuhr ich mit meinen teheraner Bekannten zum Essen in die vornehme Gegend der Stadt. Es ging in die Höhe. Wir waren auf dem Hügel, der die Stadt dominiert. Man merkte es an zweierlei: Die Autos auf der hier gut asphaltierten, mit Bäumen umstandenen Straße waren im Durchschnitt ein paar Tausend Euro teurer, und die Mieten in den erst in den letzten 20 Jahren errichteten Apartmenthäuser sollen denen in Frankfurt nicht nachstehen. Die Preise für Baugrundstücke sollen hier sogar doppelt so hoch sein wie in Frankfurt. Wir nahmen in einem schicken Restaurant in Penthaus-Lage ein frugales Mahl mit viel gegrilltem Lamm ein. Bier, natürlich mit Null-Alkoholgehalt und Cola, beides aus inländischer Produktion konnte sich sehen und trinken lassen. Die Rechnung für fünf Personen betrug inklusive der Vorspeisen insgesamt nur 33.- Euro. Auch hier zupften die jungen Frauen ständig an ihren eleganten, kostbaren Kopftüchern, mal halb, dann wieder nur viertels, das Haar entblößend.

Im Kontrast dazu steht die Schlichtheit - ich will nicht das Wort Dritte- Welt-Niveau vermeiden - der Basar-Welt. Der große zentrale Basar, Durchmesser zwei Kilometer, blendet den Besucher zunächst mit der prächtigen Moschee und ihrem weitem Innenhof. Auf den Stufen sitzen Siebzigjährige Männer, die Ringe verkaufen. Ich erwerbe einen in Aghig mit der Inschrift des Namens der Prophetentochter Fatima. Er soll vor Unglück schützen.

Am Rande die glitzernden Läden der Gold- Silber- und Edelsteinläden. Weiter im Innern gibt es jedoch in fast nur zwei Meter schmalen Gässchen, doch alles überdacht Kleinstläden. Da ist einer schon selbstständig auf sechs Quadratmetern mit dem ausschließlich Verkauf von Stoffborten oder ein anderer sogar nur auf einer Fläche von vielleicht zwei Quadratmetern nur handelnd mit Säften und Mineralwasser in Dosen. Wie diese Händler wohl über die Runden kommen. Auf dem Hügel über der Stadt, wo die Sommernächte kühl sind, und über dem Smog der Millionenstadt werden sie nie wohnen. Morgen will mir meine Stadtführerin Farsaneh, die hier bei iherer Großfamilie den Urlaub verbringt und in Frankfurt seit 17 Jahren, davon vier Jahre mit deutschem Pass, mit ihrem erwachsenen Sohn lebt, den Schah-Palast und die Golestan-Gemäldegalerie zeigen. Die großzügig angelegten Gärten mit ihren großartigen Wasserspielen sollen etwas Besonderes sein.

 

      

 

Tagebuchblatt

vom 25. September 2007    

Teheran Grand Hotel

Vom Hotelfrühstück kann ich nur Gutes berichten. Hier wird schon morgens die Beilage von Tomaten-, Gurkenscheiben und Melonenstückchen gereicht. Dazu natürlich Käse, Wurst, Spiegelei und Marmelade. Nur das hiesige Brot kann mich nicht begeistern. Es ist eine Art vertrockneter Eierkuchen ohne Eier, ohne Zucker, dafür leicht gesalzen. Hätte ich hier nur deutsches Brot. Der Hotelmanager versprach mir für den nächsten Morgen deutsches Brot zu beschaffen. Im Hotelzimmer sehe ich auf Kanal 1 dauernd Filme, die den katastrophalen Saddam- Angriffskrieg von 1980 bis 1988 thematisieren. Eine Million iranische Soldaten kamen um, viele durch Gas, das die USA dem später verhassten Diktator Saddam nach Bagdad lieferte. Deutsches Gas-Know-how war seinerzeit auch dabei. Diesen Stellvertreterkrieg, den Washington gegen Teheran führte, ist für den Iran offenbar genau so ein großes Trauma wie der CIA- Eingriff gegen Dr. Mossadeq im Jahre 1953, der den US-Lakaien Schah Pahlavi wieder aus Rom in Teheran installierte.

Merkwürdigerweise finde ich aber in Teheran immer wieder Leute, meistens mit Verwandten im westlichen Ausland, die schlankweg behaupten, die USA seien ein großer Freund Persiens. Zurzeit ist der 13. Tag des Ramadans. Ich faste aus Sympathie solange die Sonne am Himmel steht mit, und sie tut es wie bei uns an einem schönen Julitag mit 30 Grad.

Im Nationalen Archäeologiemuseum traf ich auf eine deutsche Gruppe. Witzig: ich konnte die Pharmareferentin aus Düsseldorf begrüßen, die beim Herflug neben mir saß. Sie macht zwei Tage Teheran, dann Quom, Isfahan und Mashhad, eine 12-Tage-Tour. Der deutsch sprechende Führer zeigte Funde, die bis zu 5000 Jahre alt waren. An der Landkarte blieb er stehen, deutete auf die drittgrößte Wüste und erzählte, dass 1980 dort sieben US-Kampfflugzeuge auf dem Weg zu einem Kommandounternehmen nach Teheran sich gegenseitig rammten und im Flammen aufgingen. Die Amerikaner hatten zwei Tankflugzeuge mitgenommen. von dieser Episode wusste die deutsche Gruppe nichts.

 

Tagebuchblatt

vom 23.September 2007 Im Jahre 1428 islamischer Rechnung   11 Ramadan 

Teheran Grand Hotel 

Gestern ging es endlich los. Ich bin neugierig auf Teheran. Fraport. Das übliche Gewimmel eines Weltflughafens. Ich komme an einen Fensterplatz in einem Airbus der Iran Air. Drei Stunden später schaue ich auf das Schwarze Meer bei Istanbul. Später, schon hat sich die Nacht auf das Land gesenkt, Minuten vor der Landung, alle Frauen von der deutschen Reisegruppe Studiosus ziehen sich schon mal brav die Kopftücher über. Ihre Kopftücher, die etwa nur so groß wie Taschentücher sind, wirken neben denen der iranischen Frauen, die elegant über beide Schultern wallen, etwas ärmlich. Gelandet, muss ich vor dem Exit erst für vierzig Euro das Sieben-Tage-Visum erwerben.

Das Taxi bringt mich mit einem Bruchteil der in Frankfurt fälligen Summe zum zehnstöckigen Teheran Grand Hotel. Ich fahre vorbei am Freiheitsplatz. Dort begrüßten 1979 zwei Millionen Menschen die Rückkehr von Ayatollah Khomeini aus dem Pariser Exil und die Vertreibung des USA-Lakaien Schah Reza Pahlevi mitsamt Fara Diba. Der Schah hatte in seinen letzten Regierungstagen auf Rat der Amis jedem Savak-Geheimagenten einen neuen Ford-Wagen versprochen, der einen Khomeini-Anhänger umbrächte.

Das zu gestern. Das Heute sieht so aus: Es ist 20 Uhr Ortszeit. 500 Meter Autoschlangen vor einer Tankstelle. Aber der Liter Benzin kostet umgerechnet nur acht Euro-Cent. Vom Taxifahrer erfahre ich, dass das Kilo Tomaten nur 30 Euro-Cent, dafür jeder neue Mercedes anstatt 50 000 Euro wegen der hohen Zölle gleich das Doppelte kostet. Beim Frühstück im Hotel lerne ich den 25-jährigen Mehdi Agh kennen. Ich will ihn provozieren und frage ihn, warum er frühstückt, es sei doch Ramadan, Fastenmonat angesagt. Lachend weist er mich darauf hin - und ich erinnere mich wieder daran - dass im Islam Reisende (und Schwangere) nicht fasten müssen, Er stammt aus einer Kleinstadt, 300 Kilometer  östlich von Teheran, da träfe ihn das Fastengebot nicht. Mehdi Agh arbeitet als Buchhalter bei der Internetfirma System Group. Er hat dort ein Einstiegsgehalt von rund 2200 Euro. Steuern braucht er nicht zu zahlen. Ein Taxifahrer kommt nur auf rund 700 Euro. Da kann sich Mehdi in Teheran viel leisten. nur kein neues Auto.

Im Fahrstuhl des Hotels sehe ich das Otis-Firmenschild. Ob hier Thyssen-Otis, die in Europa wegen Kartellabsprachen zur Zahlung von 400 Millionen Euro verurteilt wurde, auch 1996 das Grand Hotel betrogen hat, lasse ich mal auf sich beruhen. In meinem Hotelzimmer im fünften Stock schaue ich auf die kahlen Berge, die Teheran umgeben, denen gleichwohl die Millionenstadt ihren sprichwörtlichen Wasserreichtum verdankt. Neben vielen Straßen plätschern in Kanälen Bächlein wie im badischen Freiburg.

Im Regierungsblatt Teheran Times, Datumszeile im Jahre 1428 nach Mohammeds Flucht aus Mekka und zehnter Tag des Ramadan, lese ich einen sarkastischen Kommentar zu der Meldung aus London,  das Vereinigte Königreich würde jetzt Plutonium für 17000 Atombomben vom Typ Nagasaki, auch Little Boy genannt besitzen. Um 11 Uhr vormittags wollte ich im Hotelpool schwimmen gehen. Aber welche Enttäuschung. Wegen Ramadan darf man erst nach Sonnenuntergang gegen 18.30 Uhr. Inschallah. Joachim Franz

Tagebuchblatt

vom 20. September 2007

Noch 56 Stunden bis zum Abflug zum teheraner Khomeini Airport.

Ich lasse jetzt, wo der Iran näher an mich heranrückt,

 ein paar Aussagen von guten persischen Bekannten an mir vorbeiziehen. Schließlich meine einzige Informationsquelle. Die deutschen Medien berichten über den Iran, nur wenn es darum geht, Sanktionen und Luftangriffe auf denselben zu planen.

Da ist der erfolgreiche Autohändler von der Mainzer Landstraße, seit 30 Jahren in Deutschland. Seit einigen Jahren hat er zusätzlich eine Beteiligung an einer Autowerkstatt in seiner Heimat. Mehrmals im Jahr pendelt er zwischen Frankfurt und Teheran hin und her. Er warnt vor Obst- und Gemüseverzehr. Seit der irakische Diktator Saddam den Iran zwischen 1981 und 1989 mit Giftgas angriff, Giftgas, das ihm die USA mit Hilfe deutscher Experten zusteckten, sind weite Teile des Ackerbodens vergiftet, und vergiftetes Obst und Gemüse gelangt massenhaft auf die Märkte.

Sein Sohn, 23, steht vor dem deutschen Abschluss als Chirurg. Er ist dem Iran innerlich noch enger verbunden. Er hat mit seiner Schwester in Frankfurt eine Hilfsorganisation gegründet, die Geld nach Teheran schickt, um mittellosen Kindern Operationen  zu ermöglichen.  Kürzlich konnte für sechzig Euro ein kaputtes Knie eines 12-Jährigen mit Erfolg operiert werden. Der Junge hätte sonst sein ganzes Leben humpeln müssen.

 

 

Da ist die Tochter aus gutem Hause. Weil ihr Ehemann, den bürgerlichen Premierminister Bani Sadr unterstützte, der später in Paris ermordet wurde, musste er nach Europa fliehen. Sie wollte gar nicht fort. Ihr Sohn war damals 12 Jahre. Heute nach 14 Jahren ist der Sohn voll in Deutschland integriert, hat an einer Fachhochschule eine IT - Ausbildung absolviert und einen Vertrag mit der Dresdner Bank in der Tasche. Die Mutter möchte schon zurück, aber der Sohn hat hier seine Chancen. Deshalb bleibt sie bei ihm, fährt aber zwei Mal im Jahr zu ihrer Großfamilie in Teheran. Der Sohn schwelgt in Kindheitserinnerungen. Da waren immer alle Verwandte eingeladen, wenn die religiösen Festtage gefeiert wurden: „ Ich spielte fröhlich mit all diesen Kindern und wir liefen auch in den großen Basar“. Der Basar ist das Wahrzeichen von Teheran. Zwei Kilometer im Durchmesser. Dort gibt es Gold, Teppiche und Gewürze, manchmal entstehen aus ihm heraus auch politische Bewegungen. Der 26-jährige Hesam hat 2000 Euro aufgebracht, um vom Wehrdienst in Persien freigestellt zu werden. Ohne diese Zahlung hätte er jede Hoffnung auf Besuche in seinem Heimatland aufgeben müssen.

 

Auf nach Teheran

Tagebuchblatt

vom 17. September 2007

Wie nähert man sich mental einem so weit entfernten Reiseziel, wie der Hauptstadt Persiens, wenn es nur noch wenige Tage bis zum Abflug dorthin sind? Nun, man sucht nach Eigenschaften, nach Nachrichten. Hier sind einige: Im Westen und Osten der Stadt liegen die beiden bedeutenden Flüsse, der Karadsch im Westen, der Diadirud im Osten. Sie stellen somit auf das Schönste die ganze Wasserversorgung der Sechzehn-Millionen-Metropole sicher, sogar so reichlich, dass an den Seiten vieler Straßen offene Wasserkanäle plätschern, so, wie wir das in etwa aus Freiburg im Badischen kennen.

Natürlich hat man die aus dem Elbrus - Gebirge kommenden Flüsse aufgestaut. In 60 Kilometer Entfernung der teheraner City gibt es den Stausee, genannt Amir - Kabi - Talsperre. Der Stausee hat eine Oberfläche von 40 Quadratkilometern. Er ist beliebtes Ausflugsziel. Man kann dort baden, segeln und Wasserski fahren.

Am Südrand von Teheran versickern die Flüsse in einer ausgedehnten Salzwüste. Am Nordrand der Stadt, Durchschnittshöhe 1100 Meter, ragt das Elbrus-Gebirge mit dem Berg Damarad bis zu 5670 Meter auf; ein gutes Stück höher als unser Montblanc.

 

Vom 22.September bis 29. September 2007 berichtet Joachim Franz direkt aus Teheran

Teheran aus der Ferne erfühlt

Eine gute Freundin gab mir den Tipp, wenn du eine Vorstellung über islamische Lebensweise gewinnen willst, dann lies den Roman „Die Trunkenheit der Dämmerung“, erschienen im angesehenen Insel-Verlag.  Er spielt in Teheran. Die dramatisch-melancholische Geschichte einer lodernden Liebe, die in Hass und Verachtung umschlägt. Die 16-jährige Tochter aus gutem Hause will von ihrem schwarzgelockten  Schreinerlehrling nicht lassen, schlägt den Rat ihrer Eltern in den Wind und rennt mit dem Macho reinsten Wassers ins Unglück.  Dort leben also auch Menschen wie Du und ich.

Dort trotzte 1952 Mossadek dem Schah, dort wütete der Geheimdienst Sawak, der unter Anleitung der CIA den Dissidenten bei der Folter die Fingernägel zog, dort müssen nicht nur alle Frauen in der Öffentlichkeit das Kopftuch tragen und die Männer sich Bärte wachsen lassen, dort gibt es nicht nur täglich Massenaufmärsche mit dem Slogan „Tod den USA“, nein, dort leben auch Menschen ihre Leidenschaften und träumen ihre Träume. Kurz, ich wollte nach Teheran bevor es von US Cruise Missiles oder/und israelischen Bomben verbrannt ist.

Nehmen Sie Teil an meiner Reise in eine Stadt, in der jeder vierte Perser lebt, eine Stadt, die als die Hauptstadt der bevölkerungsreichsten Theokratie der Welt gilt. Das Flugticket ist gekauft (Hin und zurück € 420,- bei Pars Travel, Frankfurt am Main, Basler Straße). Sie werden täglich an dieser Stelle meine Eindrücke aus Khomeinis Stadt, die lange die Stadt des Schahs war, die Stadt, in der 1943 Stalin, Churchill und Roosevelt über die Geschicke der Welt berieten, lesen.

Ihr Joachim Franz

Herausgeber von www.lokalglobal.de und Zeilsheimer Anzeiger

Joachim Franz berichtete 1955 aus Genf über die Gipfelkonferenz, 1956 aus Moskau, 1963 aus Budapest, 1972 aus dem Londoner Parlament, 1992 aus Casablanca und 1996  sowie 2001 aus Paris.

 

Herausgeber Joachim Franz berichtet täglich aus Teheran. Hier vor der Moschee des Großen Basars.